Von Museum zu Museum: Regionaler Austausch von Exponaten ermöglicht Ausstellungen

Gniedelsteine

Auch während der Corona-Pandemie steht die Museumswelt im Kraichgau und den nahegelegenen Regionen nicht still: Ausstellungen und Sonderaktionen werden aufgebaut und vorbereitet. So auch in Bretten, wo – sobald es die Corona-Verordnung erlaubt – die Sonderausstellung Textilgeschichte(n) zu sehen ist.

Die Ausstellung zeigt einen Streifzug durch die Entwicklung der Textilien und deren Herkunft. Es werden unterschiedliche Verarbeitungs- und Herstellungstechniken, Materialarten und deren natürliche wie historische Ursprünge beleuchtet. Auch die Brettener Geschichte blickt auf eine lange Tradition in der Textilherstellung- und Verarbeitung zurück. Unterschiedliche Handwerker aus diesem Bereich prägten die ortsansässige Wirtschaft über viele Jahrhunderte. Begonnen bei den Tuchhändlern, welche zur Frankfurter Messe fuhren, über die bereits zur frühen Neuzeit belegte Zunft der Weber bis hin zum groß anlegten Krappanbau auf Brettens Feldern.

Um Ausstellungen für das Publikum mit ansprechenden Exponaten ausstatten zu können, bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen den Museen der Region. Auf diesem Wege entstand eine Kooperation zwischen dem von Dr. Antje Gillich geleiteten Museum in der Eremitage und dem von Linda Obhof geleiteten Stadtmuseum Bretten. Für die aktuelle Ausstellung in Bretten entleiht das Museum Waghäusel ein Objekt, das heute kaum noch bekannt ist: ein sogenannter Gniedelstein. Hierbei handelt es sich um einen Vorgänger des heutigen Bügeleisens. Gniedelsteine sind zumeist aus grünem, später auch aus weißem Glas gefertigt und wurden zur Glättung von Textilien, Leder oder anderen Materialien verwendet. Besonders das Glätten von Spitzen oder Krägen war mit diesem Arbeitsgerät möglich. Der kalte oder erwärmte Glasstein wird mit Druck über die zu glättende Stelle eines Textils gestrichen, durch die entstehende Wärme der Reibung wird der gewünschte Glätt-Effekt erzielt und es entsteht als Nebeneffekt z.B. bei Leinenstoffen ein feiner Glanz. Das Aussehen der Glassteine ist stets ähnlich: Die erhaltenen Stücke zeigen, dass diese in Formen hergestellt wurden. Die Nutzung von Gniedelsteinen ist in Mittel- und Nordeuropa spätestens seit der römischen Zeit belegt. Erst das Aufkommen der mit Eisenplatten ausgestatteten Glätteisen verdrängte die vielfältig nutzbaren gläsernen Steine. Das entliehene Stück aus weißem Glas stammt aus dem Keller der Eremitage und ist zeitlich vermutlich in das 18. Jahrhundert einzuordnen.

Die im Jahr 2020 neu eröffnete Dauerausstellung in der Eremitage Waghäusel zeigt weitere spannende Exponate über die Geschichte des geschichtsträchtigen Jagdschlosses sowie dessen politische und naturräumliche Umgebung.
Die Sonderausstellung in Bretten kann ab dem Frühjahr 2021, und sobald es die Corona-Situation zulässt, im Stadtmuseum im Schweizer Hof in Bretten besucht werden (Sa., So. feiertags, 11-17 Uhr, Eintritt frei).

Text und Foto: Linda Obhof, Stadtverwaltung Bretten