Informelle Selbstbestimmung oder Fürsorgepflicht?

Ein Dauerbrenner für Medien und Stammtisch ist die Frage, wie viel an persönlichen Daten muss/soll/darf/will ich der Öffentlichkeit preisgeben – z.B. indem ich zustimme, dass mein Name und meine Anschrift auf der Liste der Altersjubilare veröffentlicht wird.
Wie viele andere Kommunen orientiert sich die Stadt Bretten am Prinzip der informellen Selbstbestimmung: Die Jubilare werden vor der Veröffentlichung angeschrieben und können selber entscheiden, ob sie mit einer Veröffentlichung im Amtsblatt und/oder auf den städtischen Internetseiten bzw. der Weitergabe ihrer Daten an die lokale Tageszeitung einverstanden sind oder nicht; gar keine Reaktion wird selbstverständlich als Verzicht auf eine Veröffentlichung gewertet.
Seit 1983 erscheint die Liste der Altersjubilare im Amtsblatt und fand immer Befürworter. So könne man mit Bekannten, die man aus den Augen verloren habe wieder Kontakt aufnehmen, so gäbe es erfreulicher Weise spontane Besuche von Freunden, die dank der Veröffentlichung an den runden Geburtstag erinnert wurden.
Neben diesen „Fans“ gibt es eine Position, die argumentiert, dass die Fürsorgepflicht gebiete, grundsätzlich auf solche Veröffentlichungen zu verzichten – zu groß sei die Gefahr eventuellen Missbrauchs durch Kriminelle.
Man könne von den Altersjubilaren nicht erwarten, dass sie die Tragweite ihres „Kreuzchens“ ermessen, man müsse sie schützen.
Die Stadt Bretten stuft diese Forderung als Bevormundung, als Entzug des Rechts auf informelle Selbstbestimmung ein. Dass jemandem, der ins „Jubilaralter“ – also 80 Jahre – kommt, grundsätzlich das „Wahlrecht“ entzogen werden müsse, ist bei aller Fürsorgebeteuerung nicht einzusehen. Abenteuerlich ist die Unterstellung, die Stadtverwaltung Bretten gäbe gegen Bezahlung Adressen an Einwohnerbuchverlage weiter.
Grund für die Herausgabe von Einwohnerbüchern ist keineswegs der schnöde Mammon, sondern deren identitätsstiftende Wirkung.
Durch die Auflistung von Namens- und Straßenteil, von Vereinen und Ämtern, von Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, sowie den Branchenteil bietet das Einwohnerbuch einen breitgefächerten Überblick über das soziodemographische und wirtschaftliche Bild unserer Kommune.
Aber vor allem sind die Einwohnerbücher ein wirkungsvolles Mittel gegen die Gefahr der Vereinsamung und Anonymisierung.
Wer beklagt, dass viele heutzutage nicht mehr wissen, wer nebenan wohnt, der muss nur in den Straßenteil blicken und erfährt es - wenn der Nachbar einer Veröffentlichung nicht widersprochen hat.
Denn auch hier gilt das Prinzip der informellen Selbstbestimmung. Allerdings wird in diesem Fall nicht jeder Einwohner angeschrieben – so gut gefüllt ist die städtische Portokasse nicht – sondern über das unentgeltlich an alle Haushalte zugestellte Amtsblatt aufgefordert, falls unerwünscht, eine Veröffentlichung abzulehnen.
Die Stadt traut dem mündigen Bürger zu, dass er solch eine Entscheidung für sich treffen kann.